Mittwoch, 22. Juli 2015

Warum (manche) Linke über den Islam nicht reden können (1)



manche meinen
rinks und lechts
kann man nicht velwechsern
werch ein illtum
(Ernst Jandl)

Die online-Ausgabe des feministischen Magazins an.schläge veröffentlichte am 18. Juni 2015 einen Kommentar, der vorgibt, sich auf ein Interview, das die Zeitschrift MALMOE mit mir geführt hat („Mit dem Begriff ‚Islamophobie’ gehen wir den Rassisten auf den Leim“) zu beziehen, bei dem auch mein neues Buch „Respektverweigerung. Warum wir fremde Kulturen nicht respektieren sollten - und die eigene auch nicht“ vorgestellt wurde.

Hier der link zum Kommentar:

http://anschlaege.at/feminimus/2015/06/an-sage-islamophobphob/

Und zum MALMOE-Interview über Islamophobie:

http://www.malmoe.org/artikel/widersprechen/2987

Allerdings werden die im Interview, resp. im Buch vertretenen Thesen im Kommentar nicht einmal gestreift - geschweige denn, daß eine Auseinandersetzung mit diesen Thesen stattfinden würde. Am Ende weiß die LeserIn nicht, wovon im Interview (resp. im Buch) überhaupt die Rede ist, erfährt aber, daß es „besonders dreist“ sei, sich „einen neuen, besonders differenzierten Blick auf den Islam auf die Fahnen zu schreiben“ – müßte sich also fragen, ob es demnach besser sei, beim „alten, besonders undifferenzierten Blick“ auf den Islam zu bleiben.

Vielleicht, mag die LeserIn mutmaßen, will die Kommentatorin sie aber bloß schonen, ihr das „Erschreckende“ jenes Diskurses, dem sich das Interview (resp. das Buch) verpflichtet fühlen soll, nicht zumuten – Zitat aus dem Kommentar:

„ ... knüpft solch ein Diskurs doch erschreckend nahtlos an jenen rechter PopulistInnen an, die vorgeben, sich von ‚Gutmenschen’ und ihrer ‚Political Correctness’ in die Enge gedrängt, und dadurch in ihrer ‚Das wird man doch noch sagen dürfen’-Freiheit beschränkt zu fühlen“.

Weshalb sie die LeserIn darüber, welche konkreten Inhalte des Interviews (oder des Buches) denn so „erschreckend nahtlos“ am Diskurs rechter PopulistInnen anschließen, ganz im Unklaren läßt.

Sollte die LeserIn aber mutig genug - oder leichtsinnig genug - sein, das Interview (oder das Buch) selbst zu lesen, bliebe sie hinsichtlich jener „erschreckend nahtlos anschließenden“ Textstellen dennoch im Unklaren. Sie mag sich dann fragen, ob sich die Warnung der Kommentatorin vor jenem Diskurs, der „erschreckend nahtlos“ an denjenigen der Rechten anschließen soll, womöglich auf Aussagen wie die folgende bezieht:

„Die Ablehnung ‚des Islam’ durch Pegida, FPÖ und Co. ist ein Ersatzdiskurs für Rassismus. Aber der ‚Antirassist’, der den Begriff  Islamophobie negativ verwendet, ist in diesem Moment selbst rassistisch, ohne es zu wollen. Wenn ich sage, die Feindschaft gegen den Islam ist rassistisch, dann sage ich damit implizit, dass der Islam unauflöslich verknüpft ist mit Menschen etwa aus der Türkei oder arabischen Ländern, jenen Menschen also, die ich vor Diskriminierung schützen will. Das zementiert den Diskurs der Rechten, statt diese falsche Verknüpfung von Herkunft und Religion aufzulösen.“

Wie auch immer. Indem die Kommentatorin die zitierte - und alle anderen inhaltlich relevanten Passagen des Interviews – schlicht unterschlägt, verfehlt sie jedenfalls nicht nur jeden inhaltlichen Bezug zum Interview. Sie verurteilt sich darüber hinaus dazu, in ihrem Kommentar, den im Interview (und in meinem Buch) analysierten und kritisierten Diskurs des linken mainstreams in exemplarischer Weise zu reproduzieren, und so die unterschlagenen, im Interview vertretenen Thesen - zu bestätigen.

***

Der Diskurs des linken mainstreams, dem der Kommentar offenbar verpflichtet ist, verkennt einen - so möchte man meinen - simplen Zusammenhang: Der Diskurs der Rassisten in Deutschland und in Österreich behauptete bis Ende der 1990er Jahre, die Türken würden „uns“ deshalb „Probleme bereiten“ - weil sie eben Türken seien. Seit dem Erstarken des politischen Islam, vor allem aber seit den Anschlägen von Nine-Eleven behauptet der neue rassistische Diskurs (der mittlerweile bis weit in die politische Mitte hinein die Diskurshoheit erobert hat), „die Türken“ würden „uns“ deshalb „Probleme bereiten“ - weil sie Moslems seien.

Seither gilt der Islam als eine den Türken (den Arabern, den Iranern ...) „an und für sich selbst zukommende Eigenschaft“ (Marx). Die Kategorie „Islam“ funktioniert hier als Fetisch im Marxschen Verständnis: Eine gesellschaftlich (sprich: im Diskurs des Rassisten oder durch das Sich-Bekennen des gläubigen Moslems) hergestellte Verknüpfung erscheint als eine naturgegebene. Der Zusammenhang zwischen dem „Islam“ und den Türken (den Arabern, den Iranern ...) als unauflöslicher, quasi genetischer.

Diese volle Identifizierung von real existierenden Subjekten mit der imaginären Kategorie „Islam“ ist conditio sine qua non des neuen Rassismus. Voraussetzung für die Kritik dieses Rassismus wäre daher die Kritik dieser Voraussetzung.

Der Diskurs des linken mainstreams kann aber diese Kritik allein schon deshalb nicht leisten, weil er mit den Hetzern von FPÖ, Pegida und Co. die Grundvoraussetzung ihres Diskurses – eben jene Ideologie der vollen Identitätteilt, was sich deutlich in Kampfbegriffen wie „Islamophobie“ oder „Islamfeindschaft“ ausdrückt: Wer nicht müde wird, die Angst vor dem „Islam“, resp. die Feindschaft gegen den „Islam“ als rassistisch zu bezeichnen (statt das Ressentiment gegen Menschen aus islamisch geprägten Ländern), der behauptet einen unauflöslichen Zusammenhang zwischen der (imaginären) Kategorie „Rasse“ und einem Glaubensbekenntnis. „Rassistisch“ wäre „Islamophobie“ nur dann, wenn „der Islam“ zur unauflöslichen, quasi „rassischen“ Eigenschaft von Türken, Arabern oder Iranern erklärt wird – eine ihrerseits zutiefst rassistische Position.

Sehr anschaulich kommt im obigen Kommentar jene Ideologie der vollen Identität im Begriff „Muslimness“ zum Ausdruck – Muslimsein. Daß hier ausdrücklich von Muslimsein die Rede ist, nicht etwa - im Sinne des Toleranzgedankens der Aufklärung - vom (zumindest im Idealfall) freiwilligen Bekenntnis zum Islam, verleiht der Beziehung vermeintlicher oder tatsächlicher Moslems zum „Islam“ einen - buchstäblich - existentiellen Charakter. Dem Subjekt, das in einer Gesellschaft mit islamischer Bevölkerungsmehrheit lebt, aus einer solchen stammt, oder einen entsprechenden „Migrationshintergrund“ hat, kommt aus der Perspektive des „Muslimseins“ außerhalb der Sphäre des „Islam“ kein Existenzrecht zu. Der vermeintliche oder tatsächliche „Moslem“ ist durch und durch Moslem, ist mit dem „Islam“ nicht bloß identifiziert – sondern mit ihm identisch.

Was hier (unbemerkt) auf der symbolischen Ebene des Diskurses geschieht, hat im realen Umgang vieler islamischer Gesellschaften mit dem Phänomen der Apostasie, des Abfalls vom Islam, eine unheimliche Entsprechung: In Sudan, Jemen, Iran, Saudi-Arabien, Katar, Pakistan, Afghanistan, Somalia und Mauretanien kann der Abfall vom Islam mit dem Tode bestraft werden.

Was würde es aber bedeuten, die Ideologie der vollen Identität zu brechen - jene falsche Verknüpfung zwischen dem „Islam“ und Subjekten aus Ländern mit islamischer Bevölkerungsmehrheit aufzulösen? 

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