Freitag, 22. Februar 2013

Zizek in Teheran (28)

Auch hat Gott, obwohl er nicht existiert, das Gerücht in die Welt gesetzt, das Leben (und mit Das Leben meint er natürlich sich selbst) schreibe die besten Geschichten. Das ist, gelinde gesagt, übertrieben, resp. bullshit.

Nicht die besten, die effektvollsten.

Grell. Wird das Licht. Oder greller. Wie aus dem Nichts erscheint (von wegen Gott) ein brünettes Mädchen, T-Shirt, Stewardesskappe, das T-Shirt zu kurz, ergo nabelfrei, die Bemerkungen der Fernseh-Soziologen über die Freiheit in den Gefängnissen Teherans erscheinen in einem neuen - grelleren - Licht. Wie bei den Teheraner Bundesbahnen, TBB, schiebt die Brünette eine mobile Snack-Bar, unendlich hübsch ist auch sie nicht, aber erotisch, stracks zu mir.

- Sie wünschen?

Ich muß (sie) erst (an)schauen.

Einen Verlängerten braun.

Meine Handschellen sitzen eng, beten kann ich gut, aber nicht den heißen, weißen Plastikbecher mit der Aufschrift

Gib mir Kaffee! Sonst raste ich aus!,

in dem sich der Verlängerte schon befindet, halten. Das Mädchen entspannt sich, die Bewegungen, mit denen sie mir den heißen, weißen Plastikbecher an den Mund führt, sind ruckartig. Ein Robotermädchen. Aber nicht wirklich. Sie bläst in den Kaffee und flüstert:

- Sie kennen also die Schrift.

Eine Feststellung.

Welche Schrift?

Die Snackbarfrau lächelt, der Kürze wegen im Folgenden Snackfrau genannt.

- Kommen Sie. Leugnen funktioniert nicht. Wir wissen alles.

Und lacht jetzt, auf ihr eigenes Wir wissen alles hin, prustend und schrill und spritzt mich, wegen der Nähe unserer Gesichter und ihres prustenden Lachens, an, und bläst und prustet und spritzt. Der Verlängerte zittert.

- Das heißt, alles eh nicht. Sonst müßten wir ja nicht fragen.

- Bin ich nicht wegen des Elektrischen hier?

- Des Elektrischen?

Die Snackfrau ist deutlich jünger. Als ich. Das hatte ich leider vergessen. Und kann die Fernsehserie Der sein Haus auf den Schultern trägt vulgo Morad der Elektrische folglich nicht kennen.

Was ich in der Öffentlichkeit einer Polizeiwachstube noch nie gemacht habe, LeserIn: Ich beginne zu singen, und wundere mich zeitgleich über meine Schamlosigkeit:
Pa be har jayi misare
adame khane be dusch
taghate mundan nadare
adame khane be dusch

Wo immer er hinkommt
Kann er nicht bleiben.
Der sein Haus
Auf den Schultern trägt

Die Titelmelodie.

- Die Fernsehserie! Ich weiß schon! Aus den 70ern. Das waren Zeiten

In den 70ern war sie bestimmt nicht geboren.

- Meine Mutter singt das immer.

- Er wurde ermordet.

- Wer?

- Der Elektrische. In der Deutschen Schule. Jetzt das Internat Islamischer Mädchen.

Sehr wahrscheinlich will die Snackfrau wieder lachen. Aber schüttelt nur den Kopf.

- Kooperieren bitte. Nicht ablenken. Sie kennen also die Schrift?

wird fortgesetzt

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