Sonntag, 10. Februar 2013

Zizek in Teheran (27)

Oberhalb des Nummernspenders haben sie einen Flatscreen angebracht, nicht um die Nummern anzuzeigen, die an der Reihe sind, wie bei Matteo & Lorenzo, sondern es läuft eine Sendung des Zweiten Kanals des Teheraner Fernsehens. Zwei Gelehrte einer Teheraner Uni lächeln und diskutieren über Demokratie im Gefängnis. Ein Rasierter und ein Unrasierter.

Daß die Demokratie in den Gefängnissen Teherans weit fortgeschritten sei, sagt der Rasierte, zu weit, sagt der Unrasierte, so weit, sagt der Rasierte, daß man in den Gefängnissen Teherans freier sei als in Freiheit, was nicht schwer sei, sagt der Unrasierte. Beide lachen das sonore Lachen Teheraner Gelehrter.

Du glaubst, LeserIn, daß dieses Zusammentreffen, daß ich im Gefängnis sitze, d.h. in der Polizeiwachstube, die allerdings der Warteraum der Ambulanz eines Unfallkrankenhauses sein könnte - und just läuft im Fernsehen eine Diskussion über Demokratie im Gefängnis, daß das ein Kunstgriff von mir sei? Hast Du den Anfang des Romans vergessen?

Erstens: Es gibt keinen Gott.
Zweitens: Versucht er uns ständig zu unterhalten.

Und drittens, muß man natürlich hinzufügen, ist er ein Unterhalter auf dem Niveau der Drehbuchautoren von Seifenopern. Aber er versteht sich viertens auf Effekte.

Daß ich also im Gefängnis lande, d.h. in der Wachstube, und just läuft im Fernsehen eine Diskussion über Demokratie im Gefängnis ist nicht, wie Du vermutest, LeserIn, ein Kunstgriff von mir, sondern die Wahrheit, resp. eine Intervention Gottes, der uns unterhalten will. Gelegentlich hat er Erfolg. Mitunter begegnen uns Zufälle, die bedeutungsvoll scheinen, wie die Sendung über die Demokratie in den Gefängnissen Teherans, just als ich im Gefängnis lande, oder im Vorhof desselben, in der Polizeiwachstube, die aber die Ambulanz eines Unfallkrankenhauses sein könnte.

wird fortgesetzt

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