Dienstag, 29. Januar 2013

Zizek in Teheran (24)

Mir fällt ein: Daß der Elektrische, der echte, über 70 sein müßte, falls er noch leben sollte, Nein, 75. Dieser ist also nicht der Elektrische. Obwohl er es ist.

Und was wollen Sie im Haus des Vergessens?

Ich brauch eine Gehirnwäsche.

Der Elektrische entnimmt der Ernte 23-Packung eine Ernte 23, geschickte Elektrikerfinger, obwohl elegant, geradezu damenhaft, oder gerade weil. Auf meiner linken Schulter ruht eine Hand. Ich zucke. Und fast entlädt sich mein Schrecken. Als greller, mädchenhafter Schrei. Siehe Munch. Wofür ich mich, wie die Erfahrung zeigt, schäme (daß in den Der-Schrei-Bildern von Munch der Typ im Vordergrund, mit dem weit geöffneten Mund, gar nicht schreit, sich vielmehr, weil die Natur schreit, die Ohren zuhält, ist Dir, wie ich hoffe, bekannt, LeserIn?).
Schirin ist‘s. Die wieder Schirin ist, nicht Narges, dennoch muß mein Blick ein Entsetzen enthalten, das sich in ihrem spiegelt, aber kurz. Guten Tag, Herr Morad!, grüßt sie, freudig und überrascht, den Elektrischen, Nein, freudig und erregt: Guten Tag! Sie geben also nicht auf?
Die gleiche Teheranische Liebenswürdigkeit, die sie mir gegenüber an den Tag gelegt hat, vorhin, das tut weh, LeserIn, das Vorhin ist eine Ewigkeit her, das tut weh, auch wenn Schirin zwar unendlich sympathisch ist, aber unendlich hübsch ist sie nicht.

Der Elektrische freut sich ebenfalls und beide beginnen, mich zu ignorieren. Ob sie seinen Antrag an die Sonderkommission weitergeleitet habe, will er wissen, Schirin lächelt bloß, unendlich hübsch ist sie nicht, mag schon sein, unendlich unhübsch aber auch nicht, und will dem Elektrischen, indem sie ihn bei der Hand nimmt, auf einen der beiden bastbezogenen, blaulackierten Stühle setzen, die auf einmal rechts neben dem Eingang der Bibliothek der in der Sprache Teherans verfaßten Bücher des Internats Islamischer Mädchen stehen, und aussehen wie Tavernenstühle in Griechenland, zwischen den Stühlen ein blaulackierter Tavernentisch.

Der Elektrische will sich setzen, da auf einmal zuckt Schirin zusammen, als sei ihr etwas Entsetzliches widerfahren oder eingefallen, ergreift sie die Hand des Elektrischen und zieht ihn mit einem Ruck in die Höhe. Warum?, sagt der Elektrische, schaut aber mich an, ratlos, als sei ich der Lehrer.

Schirin beginnt jetzt, den Elektrischen zu ignorieren, indem sie ihr Ignorieren meiner Person beendet, oder unterbricht, und sich, wie schon im Haus des Vergessens, für ihre Unaufmerksamkeit entschuldigt, nimmt sie mich an der Hand, unendlich sanft, die unendliche Sanftheit der Hand eines Mädchens kann das Fehlen unendlichen Hübschseins mehr als kompensieren, sage ich, oder ein Vers der - traditionellen oder avantgardistischen - Teheraner Lyrik, nimmt sie mich bei der Hand, und weist mir jenen bastbezogenen, blaulackierten Tavernenstuhl zu, den sie gerade dem Elektrischen zuweisen wollte. Der Elektrische hat sich inzwischen, nach wie vor ratlos, zu dem anderen griechischen Stuhl hinbegeben. Wir setzen uns gleichzeitig. Während aber ich sitzenbleibe, nachdem ich mich hingesetzt habe, springt der Elektrische gleich wieder auf, und beginnt einen seltsamen, zackigen Tanz. D.h. er zuckt und rudert mit den Armen, eigentlich mit dem ganzen Körper herum. Weiters brüllt er. Wie am Spieß. Und ist von zackigen, blauen und grünen Blitzen umgeben. Wie in einem Zeichentrickfilm.

wird fortgesetzt

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