Donnerstag, 16. September 2010

Wunderland 17. Teil

"... sondern meine eigene Stimme
wurde zu dieser Stimme aus meinem Bauch."













Der Bauchredner Fedor Wittkowsky alias Henry Rox

"Wuschelkopf-Hippie-religiöser-Faschist-Wuschelkopf-Hippie-religiöser-Faschist-Wuschelkopf-Hippie … versetzte mich in Trance, und diese muß Sam ausgenützt haben, um das Messer verschwinden zu lassen. Als ich zu mir kam, war es jedenfalls verschwunden, und im weiteren Verlauf des Gesprächs versuchte mich Sam zu überreden, mich ihm und seinen religiösen Faschisten anzuschließen. Die Aussicht berühmt zu werden, reizte mich, ich sagte es schon, dennoch machte ich ihm klar, daß ich mich dem religiösen Faschismus, mochte unsere Revolution auch gescheitert sein, nie und nimmer anschließen würde. Ich stand auf, dann setzte ich mich wieder, um ihn zu fragen, wie ausgerechnet er zu den Revolutionären Frommen gekommen sei – statt zu fragen, wie ausgerechnet er zu dem Mädchen gekommen sei, resp. das Mädchen zu ihm, wo doch das Mädchen mit ihm während unserer Schulzeit nie ein Wort gesprochen hatte.

‚Es ist uns nichts anderes übrig geblieben, sagte Sam, ‚ich meine meiner Familie und mir. Vater war ein enger Vertrauter des Kaisers, jeder hat es gewußt, und der Wurstlieferant der Teheraner Armee, die Schwester der Kaiserin war die Freundin von Mutter usw. Als klar war, daß der Kaiser gehen würde, flog Vater zusammen mit einer Abordnung der Großindustrie zum Führer der Klerikalen, damals noch im Exil, in Chicago, um sich ihm öffentlich zu unterwerfen – der Verräter“.
Der Verräter sagte wer? Du?“, fragte der Junge.
„Nein, Sam. Und ich war wieder verwundert, daß er so freimütig sprach. ‚Einen Tag nach seiner Rückkehr von Chicago‘ sagte Sam, ‚rief mich mein Vater zu sich und erklärte: Wir müssen religiös werden - so als würde er sagen: Wir müssen expandieren oder nach Amerika exportieren, oder so. Wie soll das gehen?, fragte ich ihn'. Im Gästesalon wartete ein Kleriker auf Sam und seinen Vater, beide sagten das Glaubensbekenntnis auf, und das ganze wurde auf Video aufgezeichnet. Sam erklärte mir dann das Glaubensbekenntnis, als wäre ich kein Teheraner, sondern ein Bewohner, sagen wir, der Deutschsprachigen Berge: 'Du weißt schon', sagte er, 'diese Formel, die ohnehin kein Schwein versteht, auf Arabisch, mit den vielen O’s u L’s und Gott und die ganze Scheiße“. „Gott und die ganze Scheiße - sagte wer?", fragte der Junge, "Du?“.
„Nein, Sam“, sagte der Feine, „Und ich war wieder verwundert -“,
„ – daß er so freimütig sprach“.
„Ja, und ich fragte ihn, wie er als Vorsitzender der Revolutionären Frommen ‚Gott und die ganze Scheiße‘ sagen und Schnaps trinken könne. Während er das Glaubensbekenntnis aufgesagt hätte, sagte Sam, sei ihm etwas passiert. ,Die ganze Scheiße‘, sagte er, er meinte wohl Gott und die Teheraner Religion, bzw. den Gott der Teheraner Religion, ‚die ganze Scheiße hat auf einmal von mir Besitz ergriffen. Unzwar, wie soll ich sagen, von innen. Es war … es ist mir peinlich ...‘, er senkte den Kopf und schien sich tatsächlich zu schämen, ich hatte Sam noch nie sich schämen gesehen, das paßte nicht zu ihm. ‚Ich spürte auf einmal so ein - Ding im Bauch', er zeigte auf jene Stelle, die die Messerspitze berührt hatte, so was dichtes, kompaktes, glattes, und dieses Ding stieg zu meinem Hals hinauf, und steckte dort fest, und wurde - zu einer Stimme, ich weiß nicht wie, oder war die ganze Zeit schon eine Stimme, keine innere Stimme - sondern meine eigene Stimme wurde zu dieser Stimme aus meinem Bauch“. "Ein Bauchredner“, sagte der Junge, und versuchte zu lachen.
„'Seither habe ich eine andere Stimme', sagte Sam. Und da erst wurde mir klar, daß sich seine Stimme verändert hatte“.

wird fortgesetzt

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