Sonntag, 8. August 2010

Wunderland 8. Teil

Und bevor sie dich bricht/ Komm zum Verstand -/ Und nimm ihr, bitte, das Heft aus der Hand ...
Teheran
"Mittlerweile war ich übrigens selber ein Wrack. Und mußte einsehen, daß man - entgegen der Aussage Antschenanis -, wenn einem Liebesleid widerfährt, sowohl zum Dichter werden als auch brechen kann.
Aber ich will meinen Frauenhasser fertig erzählen. Die Kunde, daß ein junger Revolutionär aufgrund einer Frauengeschichte der Revolution verloren gegangen sei, macht in Teheran die Runde. Eines Tages erscheint eine Abordnung eines Süd-Teheraner Revolutionskomitees im Elternhaus des Jungen, um den Unwilligen zu ihrem Führer - einem alten und, wie soll ich sagen, weisen Revolutionär - zu schleppen, den ich in Anlehnung an Antschenani Intschenini genannt hatte. Der Alte geht mit dem Jungen in eine von Revolutionären frequentierte Wirtschaft, wo sie eine Flasche Hunde-Arak zu trinken begrinnen, den Teheraner National-Schnaps, aus Rosinen, und als der Junge besoffen ist, sagt der Alte: Du hast ein Pussyproblem. Pussyproblem“, der Feine wandte sich wieder an mich, „war damals in Teheran - oder vielmehr auf gut Teheranisch Pussi-po-rob-lem - ein aus Amerika importierter, unter männlichen Intellektuellen Teherans verbreiteter Ausdruck, v.a. bei Studenten und Gymnasiasten, für das Liebesleid eines Mannes, und die Obszönität dieses Ausdrucks war ein Ausdruck der Solidarität mit dem männlichen Proletariat in Süd- Teheran. Daß Pussyproblem ausgerechnet aus Amerika stammte, erscheint paradox, noch paradoxer ist, daß die prominentesten Revolutionäre in ganz Teheran TeheranerInnen waren, die in Amerika studiert hatten.
Und Pussyproblem ist das Stichwort, auf das der Junge gewartet zu haben scheint - wie eine Eiterbeule bricht sein Liebesleid aus ihm heraus. Die Frau mußt Du Dir holen, sagt der Alte. Wir helfen Dir. Der Junge ist perplex, resp. glaubt, der Alte, der - wie man in den Bergen hier gesagt haben würde - auch schon angeheitert ist, scherze mit ihm. Als er bemerkt, daß es der Alte ganz ernst meint, muß er lachen, und kann nicht aufhören zu lachen, Wir sind Revolutionäre, sagt er schließlich, und keine Banditen.

Natürlich sagen der Junge und der Alte das alles in Versform, aber ich habe die meisten Verse von damals vergessen, und es gelingt mir während des Erzählens nur selten“, der Feine wandte sich wieder an mich, „sie in deutsche Verse zu übertragen, wie es z.B. vorhin der Fall war, mit ‚Dichter und bricht er‘.
Aber zurück zum Frauenhasser. Der Alte sagt dann: Ich sage Dir was, und beginnt eine Predigt zu halten, und am Ende der Predigt ist mein Frauenhasser auch schon zu Ende - wie gesagt, ich habe ihn niemals zu Ende geschrieben. Das wahre Ziel einer Revolution, so der Alte, bestünde nicht in der Zerschlagung eines Regimes, sondern in der Zerstörung der Moral. Man müsse die bestehende Moral komplett zerstören und einstampfen – nur dann könne eine neue, revolutionäre Moral entstehen. Aus der Sicht der revolutionären Moral sei es z.B. ein Verbrechen, wenn ein Revolutionär wegen eines Pussyproblems der Revolution den Rücken kehre, resp. müsse. Hingegen sei es nicht nur kein Verbrechen, sondern ein Gebot der revolutionären Moral, wenn ein“, der Feine wandte sich wieder an mich, „Sie verzeihen, ich zitiere ja bloß aus meinem Frauenhasser Teil 2, wenn ein hübsches Stück Arsch entführt, vorübergehend seiner Freiheit beraubt, und zu seinm Glück gezwungen werden würde. Der Ausdruck Hübsches Stück Arsch war vom Amerikanischen abgeleitet - a nice piece of ass, und es gilt für Das hübsche Stück Arsch genau dasselbe, was ich Ihnen vorhin“, der Feine wandte sich wieder an mich , „über Pussy-po-rob-lem gesagt habe.
Denn es gehe aus den Ausführungen des Jungen unmißverständlich hervor, so der Alte weiter, daß ihn das Mädchen ohnehin liebe - nur aus weiblichem Trotz habe sie sich dem Sohn des Textilschweins an den Hals zu geworfen, und am Ende seines Sermons erklärt der Alte, daß die Frauen ohnehin nicht wüßten, was sie wollten, daß sie nicht nur für den Mann ein Rätsel seien, sondern vor allem für sich selbst, daß man sie zu ihrem Glück daher zwingen müsse, daß der revolutionäre Mann seine Frau, oder Frauen, in die Hand nehmen, und keinen nonsense von ihr, oder ihnen, akzeptieren dürfe, daß die Frau den Mann, der sie bezwinge und zähme - entgegen dem Unsinn, den die kaiserlichen Medien verbreiten würden -, dankbar sei, weil sie nur als Gezähmte und Bezwungene glücklich sein könne, daß aber eine Frau, deren Mann nicht imstande sei, sie zu zähmen, diesen versklaven oder zerstören würde.
Die Predigt des Alten endet - das weiß ich noch – mit den folgenden Versen:

Versuche sie also nicht zu verstehen.
Wie soll das auch gehen?
Sie versteht sich ja selbst nicht,
Und bevor sie dich bricht
Komm zum Verstand -
Und nimm ihr, bitte, das Heft aus der Hand
Du mußt sie bezwingen, Du mußt sie erziehen,
Wir sind in Teheran – und nicht in Berlin!"

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