Mittwoch, 4. August 2010

Wunderland 7.Teil

Wie soll ein Wrack für die Revolution kämpfen können ...?

"Soweit Der Frauenhasser. Ich beschloß, zum Dichter zu werden, resp. es zu bleiben, statt am Verlust des Mädchens, wie es Antschenani formuliert hatte, zu brechen, und - um meiner Existenz als Dichter einen Auftrieb zu geben - eine Fortsetzung von Antschenanis Der Frauenhasser zu schreiben.
Dieser zweite Teil des Frauenhassers war natürlich ebenfalls in Versen verfaßt, und sollte in der Gegenwart spielen, d.h. in der Gegenwart von damals, d.h. im Teheran der 70er Jahre, und erzählte von einem jungen, empfindsamen Revolutionär, der ein Mädchen aus Süd-Teheran liebt. Seine Geliebte, die er - wie ich in jenen Teilen meines Werkes, die ich tatsächlich fertig gestellt habe, immer wieder betone - über alles liebt, seine Geliebte sollte ihn daran hindern wollen, die Revolution, wie soll ich es sagen, auszuüben - ich wußte allerdings nicht, warum sie ihm bei der Ausübung der Revolution im Weg stehen wollte. Die Varianten, die mir eingefallen waren – sie wäre aus Gründen der Zugehörigkeit ihrer Eltern zur Oberschicht eine Feindin der Revolution, oder sie hätte Angst, daß ihrem Geliebten beim Ausüben der Revolution etwas zustoßen könnte - schienen mir zu abgedroschen. Davon abgesehen, kann ein Mädchen aus Süd-Teheran“, der Feine wandte sich wieder an mich, „wo die Unterschicht haust, nicht gut aus Gründen der Zugehörigkeit ihrer Familie zur Oberschicht gegen die Revolution sein. Eine dritte Variante fiel mir aber nicht ein, und ich beschloß, die Arbeit an jenen Teilen meines Frauenhasser Teil 2, in denen die Gründe, warum die Geliebte unseren Revolutionär bei der Ausübung seiner Revolution im Weg stehen möchte, hätten behandelt werden sollen, vorerst beiseite zu lassen - und verfaßte zunächst jene Passagen, die davon handeln, daß das Mädchen, unseren Revolutionär, der von der Revolution auf keinen Fall lassen will, zugunsten des Sohnes eines Teheraner Textilfabrikanten verläßt, und daß dieser Verrat den jungen Revolutionär natürlich erschüttert - unzwar mehr, als er sich einzugestehen bereit ist. Bei diesen Passagen blieb es dann auch. Ich habe den Frauenhasser niemals fertig geschrieben.
Jedenfalls kann unser Revolutionär nicht mehr schlafen, und ständig muß er daran denken, wie er zuschauen mußte, wie das Mädchen auf dem Motorrad jenes Kapitalistensohnes davonfährt - ich hatte jene Szene, die ich, neben dem Kiosk, im Schanigarten sitzend, erlebt hatte, in mein Epos übernommen – in Wirklichkeit wußte ich natürlich nicht, wer der Motorradfahrer, der mir das Mädchen weggenommen hatte, war. Im Frauenhasser Teil 2 hatte ich ihn – angelehnt an Sam - zum Sohn eines Teheraner Industriekapitalisten gemacht.
Für unseren jungen Revolutionär wird die Situation schließlich unerträglich - er muß einsehen, daß es, wie die Bewohner der Berge hier gesagt haben würden, so nicht weitergehen kann. Er hatte sein Mädchen geopfert, um der Revolution zu dienen, jetzt war er dabei, auch die Revolution zu verlieren, denn er konnte weder essen noch schlafen noch einen Gedanken fassen – und wie soll ein Wrack für die Revolution kämpfen können?"
wird fortgesetzt

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