Sonntag, 13. Juni 2010

Emma und die Revolution im Iran - das Freudianische und das Benjaminische der iranischen Freiheitsbewegung






Als anläßlich des zehnten Jahrestages der Oktoberrevolution die „Kommission für die Jubiläumsfeierlichkeiten des Zentralexekutivkommitees“ Sergej Eisenstein mit der Produktion eines Jubiläumsfilms beauftragte, drehte Eisenstein an Originalschauplätzen und mit Revolutionären von 1917 eine Art docufiction, "Oktober", die zum Filmklassiker avancierte. Zehn Jahre nach der Oktoberrevolution spielten tausende an ihr Beteiligte in einer gigantischen Nachstellung der Revolution - sich selbst.

An den Protesten nach den gefälschten iranischen Präsidentschaftswahlen vom Juni 2009 nahmen und nehmen viele teil, die auch schon an der Revolution 1979 teilgenommen hatten, zum Teil die selben Parolen skandierend, die sie auch schon damals skandiert hatten. Der Weltöffentlichkeit wurden vor allem die nächtlichen Allaho-akbar-Rufe von den Dächern Teherans bekannt.

Daß als „historisch“ empfundene Ereignisse, wie der Anschlag vom 11. September oder die jüngste Weltwirtschaftskrise, mit (vermeintlichen) historischen Vorläufern verglichen, oder zu Wiederholungen dieser ihrer Vorläufer-Ereignisse deklariert werden, ist nicht neu. Historisierungen dieser Art sind häufig Domestizierungsversuche. In einen geschichtlichen, daher vertrauten Sinnzusammenhang gestellt, wird dem Neuen sein Neuigkeitscharakter und damit sein Beunruhigendes genommen.

Der Rekurs der iranischen Protestbewegung auf die Revolution von 1979 scheint aber einem anderen Muster zu folgen. Sie sendet jedenfalls keine Signale der Beruhigung aus. Zwar sind den Beteuerungen ihrer „Führer“, sie strebten alles andere an, als eine Wiederholung der 1979er Revolution, Glauben zu schenken. Nichtsdestotrotz inszeniert sich die Protestbewegung selbst als Beschwörung ebendieser Revolution. Sollte diesem Widerspruch so etwas wie eine Botschaft zugrundeliegen kann diese nur in einer Warnung an die Adresse der Herrschenden bestehen: "Ja, wir haben von Revolutionen genug, wenn Ihr uns aber keine Wahl läßt, ist es bald wieder so weit."

Die Warnung ist angekommen. Im August nannte der Führer der Islamischen Republik, Ali Khamenei, die Protestbewegung eine Karikatur der Revolution von 1979, womit er seine Angst vor seinen aufbegehrenden Untertanen - gerade indem er sie zu verneinen versuchte - umso sichtbarer machte, und dabei an die Worte eines Analysanden Sigmund Freuds erinnerte: „Sie fragen, wer diese Person im Traum sein kann. Die Mutter ist es nicht.“ Freud berichtigt: „Also ist es die Mutter“.

Dennoch verweist Khameneis Rede von der Freiheitsbewegung als Karikatur auf eine real existierende Gefahr. Die Proteste nach den Präsidentschaftswahlen werden vielfach als eine Nachstellung der Revolution von 1979 empfunden, und unweigerlich denkt man an die Oktober-Revolutionäre, die in Eisensteins Massenszenen sich selbst spielen durften. Heißt aber eine Revolution zu reinszenieren nicht zwangsläufig Revolution zu spielen statt sie zu machen?

So genuin die politischen Forderungen der iranischen Freiheitsbewegung auch sind - historische Reinszenierungen laufen immer Gefahr, komisch zu wirken. Marx‘ berühmte Behauptung, Geschichte ereigne sich einmal als „große Tragödie“, im Wiederholungsfall aber als „lumpige Farce“, scheint genau in diese Richtung zu weisen. Nicht auszuschließen, daß Khamenei, der in den 70ern des letzten Jahrhunderts den intellektuellen Mullah gab, sich bei seiner Diffamierung der Demokratiebewegung von diesem Zitat leiten hat lassen, so daß man versucht wäre, Khameineis Stellungnahme ihrerseits zur Karikatur eines Marx-Zitats zu deklarieren.

Was hat es aber mit der Marx'schen Gegenüberstellung Farce versus Tragödie auf sich?

"Hegel bemerkte irgendwo, daß alle großen weltgeschichtlichen Thatsachen und Personen sich zweimal ereignen. Er hat vergessen, hinzuzufügen: das eine Mal als große Tragödie, das andere Mal als lumpige Farce". (Karl Marx: Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte. Frankfurt am Main, 2007, S. 24)

In diesem Anfangssatz des "Achtzehnten Brumaire des Louis Napoléon" spielt Marx auf den Staatsstreich des späteren Napoléons III. 1851 sowie auf jene Periode der französischen Geschichte an, die mit der Februarrevolution von 1848 begann und mit diesem Staatstreich endete. Diese Ereignisse stellt Marx - als "lumpige Farce" - der "großen Tragödie" der Französischen Revolution 1789 und der Machtergreifung Napoléons I. 1799 gegenüber.
Wagt man sich über den vielzitierten Einleitungssatz hinaus, findet man den Hinweis, daß nicht bloß die „kleinere“ Französische Revolution von 1848 die größere von 1789 imitiert hätte – die „größere“ Revolution hätte sich ihrerseits schon als Wiederholung inszeniert:

"Die Revolution von 1789 - 1814 drapierte sich abwechselnd als römische Republik und als römisches Kaisertum". (Ebd.)

Und diese, skurill anmutende Verkleidung der französischen Revolutionäre als Römer scheint kein einmaliges geschichtliches Kuriosum gewesen zu sein, vielmehr ein in der Geschichte von (politischen und religiösen) Revolutionen wiederkehrendes Muster. Marx erwähnt namentlich Luther, der sich "als Apostel Paulus […] maskiert" und "Cromwell und das englische Volk, die dem Alten Testament Sprache, Leidenschaften und Illusionen für ihre bürgerliche Revolution entlehnt" hätten.

"Die Tradition aller toten Geschlechter lastet wie ein Alp auf dem Gehirne der Lebenden. Und wenn sie eben damit beschäftigt scheinen, sich und die Dinge umzuwälzen […], gerade in solchen Epochen revolutionärer Krise beschwören sie ängstlich die Geister der Vergangenheit […] herauf". (Ebd.)

Revolutionen sind - folgt man dieser Passage - ohne Reinszenierung von vergangenen Revolutionen nicht zu haben. Und konfrontiert mit dieser zweiten Behauptung, bedarf jene erste, Geschichte ereigne sich einmal als Tragödie, das andere Mal als lumpige Farce, einer Revision. Schon jenes ursprünglichere Ereignis scheint seinerseits die Karikatur eines anderen, weiter zurückliegenden Ereignises zu sein und so fort. Erscheint uns 1848 als Karikatur von 1789 und Louis Napoléon als Karikatur seines Onkels, dann müssen wir die erste französische Republik ihrerseits zur Karikatur der römischen und den ersten Napoléon zur Karikatur Caesars erklären.

Daß die genauere Betrachtung seiner Eingangsthese Farce versus Tragödie diese sofort zu unterlaufen droht, dessen ist sich Marx offensichtlich bewußt. Weshalb er ein Unterscheidungskriterium einzuführt, um zu erklären, warum zwar alle Revolutionen eine Farce sind, manche aber trotzdem große Tragödien:

"… die Parteien und die Masse der alten französischen Revolution vollbrachten in dem römischen Kostüme […] die Aufgaben ihrer Zeit, die […] Herstellung der modernen bürgerlichen Gesellschaft". (Ebd.)

Ob eine Revolution von der Sorte Tragödie oder Farce ist, wäre also nicht eine bloße Frage der historischen Abfolge - was im Fall der iranischen Demokratiebewegung bedeuten würde, daß ihr, bloß weil sie sich 30 Jahre nach der Revolution von 1979 ereignet, automatisch die Ettikette Farce zukommen würde. Vielmehr müßte geklärt werden, ob und wieweit sie imstande ist, die "Aufgaben ihrer Zeit" zu erfüllen. Eine Frage, die aber natürlich erst nachträglich, also (Jahre) nach einem allfälligen Sieg der Demokratiebewegung zu beantworten wäre, so daß wir, was die Frage der Bewertung der iranischen Freiheitsbewegung betrifft, mit leeren Händen dastünden - würde uns nicht gerade der Begriff der "Nachträglichkeit" einen möglichen Ausweg weisen.

Im "Entwurf einer Psychologie" beschreibt Freud den Fall einer jungen Frau, Emma, die "unter dem Zwange steht, daß sie nicht allein in einen Kaufladen gehen kann". Emma selbst bringt ihr Symptom mit einer Erinnerung in Zusammenhang, in der sie als Zwölfjährige, in einen Laden etwas einkaufen ging, die beiden Kommis [kaufmännische Angestellte, Anm. des Autors] miteinander lachen sah und in irgendwelchem Schreckaffekt davonlief". "Weiteres Forschen", schreibt Freud, "deckt nun eine zweite Erinnerung auf […]. Als Kind von acht Jahren ging sie in den Laden eines Greißlers, allein, um Näschereien einzukaufen. Der Edle kniff sie durch die Kleider in die Genitalien" - und lächelte dabei (Sigmund Freud: Entwurf einer Psychologie. In ders.: Gesammelte Werke, Nachtragsband, Frankfurt am Main 1999, S. 445). Aus diesen und anderen Angaben folgert Freud, daß das Lachen der beiden Kommis im Kaufladen die zwölfjährige Emma - unbewußt - an das Grinsen des Greißlers und somit an den sexuellen Übergriff „erinnerte“, den sie mit acht erdulden mußte. Erst in diesem Moment sei bei dem, laut Freud mittlerweile sexuell gereiften Mädchen der Übergriff des Greißlers - wiederum unbewußt - zum „nachträglichen Trauma“ geworden. Und dieses hätte sich wiederum in das Symptom verwandelt, nicht allein in einen Laden gehen zu können.

Freud zieht aus dieser, für sein Konzept der Nachträglichkeit exemplarischen Fallgeschichte den Schluß, "daß eine Erinnerung einen Affekt erwecken könne, den sie als Erlebnis nicht erweckt hatte, weil unterdes die Veränderung der Pubertät ein anderes Verständnis des Erinnerten ermöglicht hat." (Ebd.)
Nachträglichkeit in diesem Sinne heißt nicht bloß, daß die „wahre Bedeutung“ eines Ereignisses erst nachträglich verstanden werden könne, sondern daß ein wesentlicher Aspekt des Ereignisses erst nachträglich wirksam wird, ja nachträglich sich überhaupt erst ereignet, da dem Subjekt zu einem späteren Zeitpunkt ein neues Deutungs-Instrumentarium zur Verfügung steht. In Emmas Fall dasjenige eines sexuell gereiften Subjekts.

Daß gerade Freud eine Achtjährige als asexuelles Wesen zu betrachten scheint – gilt er nicht als Entdecker der infantilen Sexualität? -, überrascht natürlich, ebenso wie die Auffassung, daß die Szene beim Greißler für Emma nicht schon im Moment des Erlebens traumatisch gewesen sein soll. Aber ungeachtet aller Irritationen, die Emmas Fallgeschichte auslösen mag - das Freudsche Konzept der Nachträglichkeit könnte auf die Theorie der Revolutionen ein unerwartetes Licht werfen: Nicht die Revolutionen der Vergangenheit sind es, die jene der Gegenwart determinieren, vielmehr hat die Gegenwart das Potential, das in der Vergangenheit angelegte, aber nicht eingelöste überhaupt erst Wirklichkeit werden zu lassen.
In dieser Sicht wäre die Reinszenierung der iranischen Revolution von 1979 durch die aktuelle Demokratiebewegung ein Akt der Erinnerung, durch den die „Wahrheit der Revolution von 1979“ überhaupt erst die Möglichkeit hätte, Wirklichkeit zu werden.

Beim Versuch das psychoanalytische Konzept der Nachträglichkeit auf die Theorie revolutionärer Reinszenierungen zu übertragen ist natürlich Vorsicht geboten. Allerdings existiert zwischen der Geschichte politischer Revolutionen und dem nachträglichen Wirksamwerden von Traumata in Fallgeschichten der Psychoanalyse eine vielversprechende Parallele – sozusagen ein „nachträglich Traumatisches“ von Revolutionen.
Gemeint ist nicht die Tatsache, daß Revolutionen im Gedächtnis von Gesellschatften nun einmal als traumatische Zäsur verzeichnet sind, also nicht jene, mit Revolutionen scheinbar gesetzmäßig verbundenen Exzesse der Gewalt, Säuberungen, Hinrichtungen, Enteignungen. Das nachträglich Traumatische von Revolutionen bleibt im Unterschied zu diesem ihren „offensichtlich Traumatischen“ zunächst unerhört, ist sie doch nicht an dem festzumachen, was eine Revolution war, sondern an dem, was sie hätte sein können und nicht war. An dem was verheißen - und gebrochen wurde. Es geht aber, um einem Mißverständnis vorzubeugen, auch nicht um die Kluft zwischen revolutionärem Anspruch und postrevolutionärer Wirklichkeit. Nicht darum, daß „die Ideale der Revolution verraten worden wären“. Der Hund liegt in den Idealen selbst. Die iranische Revolution von 1979 war nicht – wie es ein Gerücht haben will – eine ursprünglich säkulare/bürgerliche/linke Bewegung, die erst später pervertiert worden wäre. Sie war von Anfang pervers. In den säkularen Rufen nach Demokratie und sozialer Gerechtigkeit hatten sich von Anfang an andere Stimmen gemischt.

Wie Emma den obszönen Übergriff – und das Lächeln - des Greißlers im Moment, als sie es erlebte, nicht zu „decodieren“ vermochte, so fehlten der iranischen Gesellschaft von 1979 die „Decodierungs-Instrumente“, um zu erkennen, daß die zentrale Parole der 1979er Revolution

Freiheit
Unabhängigkeit
Islamische Republik

von der traumatischen „Rückkehr der opferfordernden, obszönen Über-Ich-Gottheit“ (Slavoj Zizek: Auf verlorenem Posten. Frankfurt am Main 2008, S. 97) kündete.

Das Islamische an der herbeiskandierten Republik wurde vielmehr als eine Art Sicherheitsventil zur Verhinderung mißliebiger Aspekte der Moderne verstanden - jener Moderne, deren „gute“ Seiten (Menschenrechte, bürgerliche Freiheiten, Rechtsstaatlichkeit) die Iraner keineswegs missen wollten. Genau dafür waren sie ja auf die Straße gegangen und hatten ihren Kaiser verjagt. Islamisch als anachronistisches Beiwort zur Republik wurde mit der heilen Welt - und dem Lächeln - eines altersweisen Dorfgeistlichen assoziiert. Islamisch stand, ins Christlich-Abendländische gewendet für den Kräuterpfarrer und die Idylle im Kloster, nicht aber für Savonarola und schon gar nicht für Inquisition.

Was das Islamische an der nach der Revolution von 1979 gegründeten Republik tatsächlich bedeutete, kann im vollen Umfang erst jetzt „realisiert“ weren, in einem Moment, in dem die Abschaffung der Islamischen Republik zum ersten Mal seit ihrer Gründung ernsthaft zur Debatte steht.

Die am meisten und kontroversiellten diskutierte Parole der iranischen Protestbewegung ist der zentralen Parole der 1979er Revolution nachempfunden:

Freiheit
Unabhängigkeit
Iranische Republik

Die Rede von der Iranischen Republik muß den mit dem Iran Unvetrauten irritieren. Was soll damit gemeint sein? Eine dem iranischen Nationalismus verpflichtete Republik? Eine für den Iran maßgeschneiderte, noch zu entwickelnde Staatsform? Die Vorwürfe, die diese Fragen enthalten – die Parole würde dem illusionären Wunsch nach einer „iranischen Sonderform der Demokratie“ das Wort reden, resp. einem iranischen Nationalismus – werden häufig auch in iranischen Medien erhoben. Von Leuten also, die Entstehungshintergrund und Kontext der Parole kennen müßten. Ihnen sei unterstellt, das Offensichtliche, aus welchen Motiven auch immer, nicht sehen zu wollen.

Seit Monaten kursieren im Iran Geldscheine, auf denen in der Staatsbezeichnung Islamische Republik Iran das Beiwort Islamisch durchgestrichen ist. Übrig bleibt Republik Iran. Die Parole von der Iranischen Republik ist das Ergebnis genau dieses Subtraktionsverfahrens. Das Iranische der Iranischen Republik kann keinen wie immer gearteten materialen Inhalt (Nationalismus, ein iranisches Sonder-Staatsmodell etc.) beanspruchen. Iranisch ist nichts als die Leerstelle für das durchgestrichene Islamisch.

Indem aber die Parole

Freiheit
Unabhängigkeit
Iranische Republik

an die zentrale Parole der ‘79er Revolution

Freiheit
Unabhängigkeit
Islamische Republik

anknüpft, verweist sie auf jenes Traumatische der ‘79er Revolution, das sich - im Sinne der Freudschen Nachträglichkeit - erst jetzt realisieren kann. Und das die Rede von der Iranischen Republik - indem sie es wagt, den Finger auf genau jene traumatische Wunde zu legen und Islamisch durch die Leerstelle Iranisch zu ersetzen – zugleich außer Kraft setzt.

Walter Benjamin hat, vermutlich ohne Kenntnis des Freudschen Konzepts der Nachträglichkeit, eine Art historische Theorie der Nachträglichkeit entwickelt. So wie bei Freud bestimmte Ereignisse der Gegenwart bestimmte Ereignisse der Vergangenheit nachträglich zu dem werden lassen, was sie eigentlich waren, kann auch für Benjamin die Gegenwart die Vergangenheit rückwirkend verändern. Es geht aber bei Benjamin nicht um die nachträgliche Realisierung eines Traumas. Er schreibt der Gegenwart im Gegenteil „eine schwache messianische Kraft“ zu. Die Gegenwart, so ließe sich Benjamin lesen, kann die Vergangenheit erlösen.

"Ist dem so, dann besteht eine geheime Verabredung zwischen den gewesenen Geschlechtern und unserem. Dann sind wir auf der Erde erwartet worden. Dann ist uns wie jedem Geschlecht, das vor uns war, eine schwache messianische Kraft mitgegeben, an welche die Vergangenheit Anspruch hat. Billig ist dieser Anspruch nicht abzufertigen." (Walter Benjamin: Über den Begriff der Geschichte. In: ders., Gesammelte Schriften, Beiden. I.2. Frankfurt am Main. 1980, S. 691)

Mit der Reinszenierung ihrer Vorgänger-Revolution setzt die iranische Freiheitsbewegung einen Akt der Erinnerung und nachträglichen „Realisierung“ von deren - traumatischer - Wahrheit. Diese Realisierung geschieht auf Seiten der Freiheitsbewegung auf der symbolischen Ebene. Zugleich ereignet sich diese nachträgliche Realisierung aber auch real: Angesichts der Massenproteste sieht sich das aus jener Revolution hervorgegangene Regime gezwungen, deutlicher als je zuvor, seine wahre Fratze zu zeigen - vom brutalen Vorgehen gegen friedliche Demonstranten bis hin zu Schauprozessen, Tötungen, Vergewaltigungen, Folterungen. All das könnte man als das Freudianische der iranischen Freiheitsbewegung bezeichnen.

Wie ich anhand der Parole von der Iranischen Republik zu zeigen versuchte - eine Parole, in der sich die Anliegen der Avantgarde der iranischen Demokratiebewegung verdichten - geht das reinszenierende Erinnern der Islamischen Revolution mit ihrer symbolischen Außer-Kraft-Setzung einher (Ersetzen von Islamisch durch Iranisch). In der Beschwörung der Revolution von 1979 geht die Freiheitsbewegung daran, jene Revolution nachträglich vom traumatischen Kern ihrer selbst zu erlösen. In diesem Sinne ist die iranische Demokratiebewegung Benjaminisch.

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